Kritik unerwünscht – Wohnungsbaugesellschaften drehen den Geldhahn für Stadtteilzeitung zu

Veröffentlicht: 21. Februar 2011 in AG-Mieten, Presse, Propaganda, SAGA GWG
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Die Stadtteilzeitung „aktiv wohnen“ von Mümmelmannsberg gibt es seit 37 Jahren. Sie wird von Beginn an ehrenamtlich von aktiven Bürgern erstellt, die mit der Zeitung die Bewohner über alle Angebote und Vorgänge im Stadtteil informieren wollen.
Alle Einrichtungen nutzen die „aktiv wohnen“ um ihre Veranstaltungen anzukündigen und um über ihre Arbeit zu berichten.
Durch kritische Begleitung der Entwicklungen ist die Zeitung zum Sprachrohr von Mümmelmannsberg geworden. Sie wird weit über den Stadtteil hinaus gelesen und beachtet.
Die Wohnungsbaugesellschaften haben nun beschlossen, die Förderung der „aktiv wohnen“ komplett einzustellen.
Die SAGA/GWG als führendes Unternehmen, erklärte dazu, dass ihnen die „kritischen Berichte“ und die „nicht mehr zeitgemäße Gestaltung der Zeitung“ missfallen. Herr Schröder von ProQuartier erklärte: Wir machen Marketing und wollen positive Berichte über Mümmelmannsberg. Wenn in der Zeitung steht, was die SAGA GWG alles falsch macht, ist es uns nicht zuzumuten, das auch noch zu bezahlen. Wir haben nicht die Aufgabe, das Sozialleben in Mümmelmannsberg zu fördern.
Die neue Geschäftspolitik von SAGA/GWG ist so rigoros wie kurzsichtig und verheerend. Als Ende der 80er Jahre fast Tausend Wohnungen leerstanden, empfahlen Sachverständige, die Bürger zu aktivieren und das soziale Gemeinschaftsleben zu fördern. In Mümmelmannsberg ist seitdem ein breit gefächertes Angebot durch viele Vereine und Initiativen entstanden, das Mümmelmannsberg auszeichnet und zu einem l(i)ebenswerten Stadtteil macht. Das Bild von Mümmelmannsberg hat sich durch aktive Bürger und die Kooperation von Bewohnern, Einrichtungen, Behörden und Wohnungsbaugesellschaften positiv gewandelt. Die Menschen leben hier gerne und alle Wohnungen sind belegt. Die soziale Förderung war und ist ein Erfolgsmodell. Die Genossenschaften gehen diesen Weg weiter. Vorbildlich und wegweisend ist hier die Einrichtung des
Nachbartreffs der DHU. Warum die SAGA/GWG dagegen plötzlich einen Crash-Kurs fährt, erscheint zunächst unverständlich, aber die SAGA/GWG lebt in einer Welt fern ab der Wirklichkeit. Sie glauben selbst an die geschönten Bilder und Berichte ihrer Marketingabteilung. Kritik können sie nicht vertragen, weil sie die andere Seite nicht wahrnehmen und wahrhaben wollen. Leider verschwinden die Probleme nicht durch die Ausblendung der Realität. Die Berichterstattung in einer unabhängigen Presse ist wie ein Seismograph, an dem Unternehmen etwas über ihre Außenwirkung erfahren können. Souveräne Unterneh-
men sind für diese Hinweise dankbar und können sie für sich nutzen. SAGA/GWG anscheinend nicht. Die Lage ist ernst. Wir wissen nicht, wie wir das fehlende Geld auf-bringen sollen. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir machen weiter und hoffen auf die Unterstützung der Bewohner und der Einrichtungen von Mümmelmannsberg.

Das, was hier in der Notausgabe der Stadtteilzeitung für Mümmelmannsberg, „aktiv wohnen“ berichtet wird, deckt sich vollkommen mit den Erfahrungen, die wir mit der SAGA/GWG machen und einer Haltung, die allgemein in Unternehmen und Politik um sich greift.
Es geht nicht mehr darum, eine offene und konstruktive Debatte zu führen, die den Menschen nutzt. Die Kommunikation von „unten nach oben“ wird bewußt verhindert. Umgekehrt, „von oben nach unten“ aber soll sie möglichst reibungslos funktionieren. Wir sollen glauben, was man uns weismachen will. Unsere Welt durch die Brille von Umfragen, Marketing und Profitgierigen sehen.
Die MieterInnen/BewohnerInnen/Menschen werden mittlerweile als Gegner wahrgenommen. Eine dazwischen geschaltete Werbeabteilung oder ein Pressesprecher, sorgen für eine Propaganda, die uns eine Welt ohen Risse zeigt und die möglichst positiv für das betroffene Unternehmen ausfällt. Vorhandene Probleme werden schlicht ausgeblendet und einer aalglatten Corporate-Identity untergeordnet.

Dabei verpasst die SAGA/GWG, wie alle anderen auch, eine große Chance. Sie könnten auf die Kritik eingehen und darauf reagieren. Konstruktiv mit den Betroffenen zusammen nach Lösungen suchen. Wobei die Menschen vor Ort schon einen Großteil der Arbeit dadurch leisten, dass sie die vorhandenen Schwächen und Problemfelder lokalisieren. Das ist eine Arbeitsleistung, die den Unternehmen unbezahlt zur Verfügung steht.
Von solch bereitwilliger Mitarbeit nicht Gebrauch zu machen, widerspricht jeder wirtschaftlichen Vernunft.

Sattdessen werden teure Hochglanz-Werbebroschüren herausgegeben, ein ganzer Stab von MitarbeiterInnen beschäftigt sich damit, Dinge in einem ausschließlich positiven Licht glänzen zu lassen, an denen es berechtigte Kritik gibt.
Meist werden dann auch noch aufwendige Umfragen über die Wohnzufriedenheit in den Häusern und Vierteln in Auftrag gegeben.
All das bieten kritische BewohnerInnen eines Stadtteils/Hauses kostenlos!
Die Zufriedenheit steigt nicht durch Propaganda, sondern durch beherzte Beseitigung von erkannten Mißständen. Die Betroffenen wissen selbst am besten was sie vor Ort benötigen.

Das benannte Vorgehen hat nur dann einen Sinn, wenn es garnicht die Zielsetzung ist, die Wohnzufriedenheit der Bevölkerung zu steigern, sondern möglichst hohe Profite zu erwirtschaften.
Am Beispiel von Mümmelmannsberg kann man dies sehen.
Es ist ein schöner Stadtteil, der über viele Erholungs- und Grünflächen verfügt. Mit einer (zusammen-) gewachsenen Bevölkerung, die ihren Stadtteil liebt und dort wohnen und leben WILL.
Dies alles weckt natürlich Begehrlichkeiten. Denn die Wohnungen im Stadtteil kann man mit diesem, großteils von der Bevölkerung selbst geschaffenen Hintergrund, auch wesentlich besser „verwerten“.
Wo Menschen sich wohlfühlen, will jeder gerne wohnen. Das ist die wirkliche Werbung. Die Marketingagenturen und Wohnungs- und Immobilienunternehmen profitieren nun davon, dass sich die Mümmelberger ihren Stadtteil angeeignet haben, sie werten ihn auf, dadurch dass sie da sind und sich dafür einsetzen. Das ist wirkliche Arbeit.

Die, im Vergleich zum SAGA-Propagandainstrument WIR, bescheidenen finanziellen Mittel für die Zeitung „aktiv wohnen“ zu streichen, die 37 Jahre lang die Menschen im Viertel zueinander gebracht hat, ist verantwortungslos und ein Skandal. Wir denken, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen ist.

Kommentare
  1. […] die rote flora situtiert sich mit einem text im öffentlichen raum hamburgs°°° die handelskammer stellt in einer broschüre ihre wünsche für hamburg in den nächsten zwanzig jahren vor. bürgerbeteiligung gehört eindeutig nicht dazu°°° über die veränderungen auf st.pauli berichtet der tagesspiegel mit einem artikel der auch noch mal erzählt, wie der fussballverein zu seiner totenkopffahne kam udn warum der initiator dieses kults inzwischen lieber zu altona93 geht und was das alles mit gentrifizierung und häuserkampf zu tun hat.°°°magerfettstufe antwortet auf ein portrait der stadt hamburg in der zeit, wo der hansestadt elitismus und kleinstädterei nachgesagt wird°°° der neue bauantrag für die umstrittene fernwärmetrasse ist gestellt°°°° der prozess gegen den graffitikünstler oz findet breite mediale betrachtung beim supramagazin°°° seit 37 jahren gibt es in mümmelmannsberg eine stadtteilzeitung. nun sollen ihr die fördergelder gestrichen werden°°° […]

  2. barmbina sagt:

    Hallihallo,
    das ist bitter, aber eigentlich keine große Überraschung.
    Wenn es nun schon die engagierten Schreiberinnen und Schreiber, einen Verein und viele Erfahrungen gibt – bestünde nicht die Chance, sich auf eigene Füße zu stellen?
    Online-Zeitung ist ja auch schon vorhanden,wie ich eben sah, Druckkosten laufen jetzt schon tewilweise über Inserate und Fachleute sind auch dabei, die Druckvorlagen erstellen können. Selbst die Verteilung scheint schon in eigener Regie durchgeführt zu werden, vielleicht lässt die bisherige Druckerei über Preisnachlässe mit sich reden oder man fragt bei der Konkurrenz nach…
    Eine peinliche Nummer für die SAGA, die dann ja auch die ehrenamtlichen Kräfte für eine Hauspostille los wäre, mit der sich dann nicht mehr schmücken kann. 🙂

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